Vierter Streckenabschnitt Kolmberg - Maibrunner Berg - Saulburg (33 km)

 Streckenabschnitt Kolmberg - Saulburg

Streckenverlauf: Kolmberg (KM 171) → Maibrunn  (KM 176) → Ascha (KM 195) → Falkenfels (KM 198) → Saulburg / Verpflegungsstelle (KM 204)

Streckendaten: 33 km / 700 hm → kumuliert ab Regensburg: 210 km / 3.550 hm 

Streckencharakteristik: bis Maibrunner Höhe bergiges Profil - bis Haibach Gefällstrecke (500 Tiefenmeter), dann welliges Profil

Anstiege:

Grün (730 m) - Maibrunner Höhe (902 m): 2 km, 172 hm, Steigung Ø 8,7%, Steigung max. 13%

Ascha-Falkenfels 4 km / 145 hm

Gessmannszell - Saulburg 1.5 km / 60hm

Streckeneinmündung in Ascha: »Bayerwaldrunde«, Streckeneinmündung in Falkenfels »Panoramarunde«

Erhöhte Vorsicht ist bei der Abfahrt von Kolmberg nach Klinglbach geboten, da die Gefällstrecke an einer T-Kreuzung in eine Haupstraße einmündet!

Maibrunner Höhe - emotionales Feuerwerk zwischen Schmerz und Glücksgefühle in der Hochphase 

Wird der Skihang in Grün nahe Sankt Englmar passiert steht der berüchtigtste Scharfrichter des Arber-Radmarathons bevor, der schon so manch zermürbten Radler zur schieren Verzweiflung trieb. Gemeint ist die Maibrunner Höhe, die mit einer Durchschnittssteigung von 8.3% an der Schmerzgrenze ihren Schweißtribut einfordert und einem zur fortgeschrittenen Stunde so überflüssig wie ein Kropf vorkommt. War die Schinderei bislang hart, so kommt's nun knüppeldick. Mit anderen Worten es geht ans Eingemachte. Sengende Mittagshitze vermag dabei die körperliche Befindlichkeit bei der kräftezehrenden Bergkraxelei noch zusätzlich zu verschärfen. 

Eröffnen wir das "Fest der Leiden" mit dem passenden Spruch des legendären Boxansagers Michael Buffer: "Let's get ready to rumble“. Sobald in Grün in die Maibrunner Bergstraße eingebogen wird geht's ohne großes Tam Tam gleich zur Sache. 170 Höhenmeter - verteilt auf zwei Kilometer - für sich allein genommen eigentlich Pillepalle. Doch angesichts 2.800 Höhenmeter (oder 1.500 hm) in den Beinen sieht man sich einer gänzlich anderen Herausforderung konfrontiert. Kommt man körperlich angeschlagen an der sogenannten "Himmelspforte" an, dann raubt einem dieser "Giftzwerg" den letzten Nerv. Geplagt zwischen Selbstzweifeln und innerlichen Durchhalteparolen nimmt das emotionale Feuerwerk zwischen Schmerz und Glücksgefühle seinen Lauf.

Mit einer Maximalsteigung von 12.5% erhalten mentale Sinnkrisen quasi gratis eine Einladungskarte. Je nachdem in welcher körperlichen Verfassung man sich befindet, bekommen lästige Plagegeister - sprich der innere Schweinehund - Aufwind. Wie dem auch sei: blickt man bei Überholvorgängen im Schneckentempo in die ausgemergelten Gesichter seiner Mitstreiter registriert das Gehirn sehr wohl mit gewisser Genugtung, dass es anderen Leidensgenossen auch nicht viel besser ergeht als einem selbst. Andererseits sollte man sich bei allem Wetteifern auf den Grundsatz besinnen: "Dein stärkster Gegner bist du selbst!" Bergauf muss ohnehin jeder sein eigenes Temo anschlagen, ansonsten artet es in Harakiri mit fragwüridgem Ausgang aus.

Hat man sein Tempo und Rhythmus gefunden und kreiseln die Beine fern des Bewusstseins wie von selbst, öffnet sich die Tür in den inneren Tunnel und verwandelt den mühsamen Akt der Fortbewegung zur schweißtreibenden Meditation. Der Radler ergibt sich sozusagen dem Berg. Dabei richtet sich der stoische Blick entweder nach unten oder fokussiert einen bestimmten Fixpunkt wie z.B. die nächste Kurve, die nächste Kehre oder sonst irgendeinen markanten Punkt. Der direkte Blick nach vorne auf die Steilpassage ist psychologisch eher destruktiv, denn gegen eine Steilwand zu starren löst mehr Frustration denn Motivation aus. Da passiert es schon, dass sich absurde Gedanken in einer Dauerschleife verhaken, was den inneren Schweinehund mit "Würstchen" füttert.

Wird die Belastungsgrenze überschritten um an einem Radler dran zu bleiben, der läuft Gefahr zu übersäuern und womöglich Muskelkrämpfe zu erleiden. Spätestens dann geht der Schuß nach hinten los und muss kapitulieren. Manch einer sieht sich gar gezwungen, sein Gefährt nach oben zu schieben.

Während Bergziegen längst über alle Berge sind und vielleicht zuhause schon geduscht haben, ficht "Otto-Normal-Radler" seinen gnadenlosen Kampf um's sportliche Überleben aus. Als unbeugsame Kämpfernatur bleibt nur die Möglichkeit, dem inneren Schweinehund im Zwiegespräch die Stirn zu bieten: "husch husch, ab ins Körbchen"! Momente die an den unvergessenen Motivationsspruch von Ex-Profi Udo Bölts (finishte von 1992 - 2003 zwölf Mal in ununterbrochener Reihenfolge die Tour de France) erinnern, als er seinen Kapitän Jan Ullrich 1997 verbal zum Tour-de-France-Sieg "prügelte": "Quäl dich, du Sau!“. Keine Frage, der Maibrunner Berg verlangt beinharte Moral. Ist man platt, brennt sich die Grenzerfahrung unauslöschlich ins Langzeitgedächnis ein. Dies ist auch der Grund dafür, wieso die berühmt berüchtigte Maibrunner Höhe so häufig in aller Munde ist. 

Der klaren Ansage von Uwe Bölts folgen im Prinzip auch tausende Hobbyradler. Freilich steht beim Arber-Radmarathon kein prestigeträchtiger Sieg in Aussicht, doch nichtsdestoweniger geht es ums Durchhaltevermögen bzw. nicht in der Geschwindigkeit nachzulassen. Verbunden mit der Hoffnung, seine Leistung bestmöglichst abrufen zu können. Ein solch "erarbeitetes" Glücksgefühl fußt eben einzig auf die durchgestandene Anstrengung, weshalb die Qual tatsächlich die erste Wahl ist. Dafür bietet die Maibrunner Höhe die ideale "Show-Bühne".

Gut 1 km sind 12 % Steigung bis Maibrunn zu überwinden. Wer denkt, das war's sieht sich bitter getäuscht. Die abbflachende Steigung gaukelt einem nur vor, dass der Scheitelpunkt in Sichtweite ist. Stattdessen werden die Daumenschrauben nochmals angezogen. Besonders der obere Teil zieht sich in die Länge. Erst am Waldrand purzeln die Steigungsprozente, und ruckizucki hellt sich die Stimmungslage wieder auf.

Das beste was einem im Akt größter Kraftanstrengung passieren kann: motivierende Anfeuerungsschreie. Dies vermag nicht für möglich gehaltene Kraftreserven aus dem seichten Energietank wach zu kitzeln. DANKE! 

Treuer "Fanclub" am Streckenrand. Am Ende der schweißtreibenden Auffahrt wird auch hier nochmals Seelenmassage für die ungekrönten Häupter der "Ausdauerkönige" betrieben. DANKE! 

Die letzten Meter auf der Höhe verläuft die Straße beinahe eben. Schnurstraks rollt man auf das grüne (Pass-) Schild zu, auf dem Name und Höhe des "Widersachers" vermerkt ist: Maibrunner Höhe, 902 Meter über dem Meeresspiegel. Ganz nach dem Werbeslogan von Garmin: "Sie haben ihr Ziel erreicht" ist die giftigste Herausforderung abgehakt. Die Zeit ist gekommen, um aus dem inneren Tunnel - in den man sich verkrochen hatte - mit frischen Lebensgeistern wieder aufzutauchen.

Nachdem der Scheitelpunkt der Mainbrunner Höhe (902 m.ü.M.) erreicht ist, ist das Schlimmste ist überstanden. Flugs sind alle Selbstzweifel wie weggeblasen. Nun heißt es Durchschnaufen, kurz Kräfte sammeln und den Fokus auf die bevorstehende Abfahrt richten.

Auf den zähen Anstieg folgt die Freude auf die bevorstehende Abfahrt. Bei Elisabethszell ist in einem scharfen Rechtsnknick erhöhte Vorsicht geboten ist. Innerhalb 14 km bis hinab ins Donautal nach Rattiszell verliert man 560 Meter an Höhe. Dies verschafft der malträtierten Beinmuskulatur eine wohltuende Auszeit. Dafür ist jedoch nun der Kopf gefordert. Die kurvige Gefällstrecke verlangt hohe Konzentration, versierte Fahrtechnik und gutes Reaktionsvermögen, was allerdings im erschöpften Zustand nicht mehr so perfekt funktioniert. Glucosemangel (Gehirn verbraucht ausschließlich Kohlenhydrate) vermindert nämlich die Konzentrationsfähigkeit, was Fahrfehlern Vorschub leistet. 

 Glucosemangel 

Geleerte Glucosespeicher (niedriger Glucoseanteil im Blut) senkt den Blutzuckerspiegel, was u.a. die Sensomotorik beeinträchtigt. Nicht nur die Beinmuskulatur benötigt Kohlenhydrate sondern auch das Gehirn. Besonders Abfahrten und technische Passagen erfordern für die Konzentrationsfähgikeit reichlich Energiezufuhr. Da Gehirnfunktionen nur bei ausreichender Kohlenhydratzufuhr (Glucose ist wichtigster Energielieferant) optimal funktionieren, führt eine Mangelversorgung zu Konzentrationseinbußen (Kondition = Konzentration). Somit summieren sich nach stundenlanger Ausdauerleistung zwei Risikofaktoren, über die sich arglose Fahrer im Eifer des Gefechts kaum bewusst sind. Kurvenkombinationen, hohe Geschwindigkeit, Linienwahl, Bremsmanöver und balancierende Bewegungsmotorik erfordern geistige Potenz welche für Konzentration, Koordination, Handlungs- und Reaktionsschnelligkeit sowie Reflexfähigkeit sorgt. Vorgänge, die im Erschöpfungszustand nicht mehr so perfekt funktionieren wie man vielleicht glauben mag. Dies erhöht das Risiko von Fahrfehlern. Wetter- und Bodenverhältnisse (Regen, Hitze, Kälte) vermögen das Gefahrenpotential zusätzlich zu verschärfen. Ein unangepasster Fahrstil wird schnell zur unkalkulierbaren Schlitterpartie. Stürze in der Endphase sind symptomatisch für Konzentrationsschwäche und Selbstüberschätzung. Um das Restrisiko so gering als möglich zu halten, sollte man sich nicht ahnungslos in trügerischer Selbstsicherheit wiegen oder gar zu euphorischen Fahrmanövern verleiten lassen. Gefahr erkannt - Gefahr gebannt! Daher ist es wichtig die Kohlenhydratdepots aufzufüllen: Lebensmittel mit hohem Glykämischen Indexwert (GI) lassen den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen. Nach Aufspaltung im Verdauungstrakt werden sie direkt im Blutkreislauf aufgenommen, und zum Gehirn sowie Muskeln transportiert, d.h. der Insulin-Schub mobilisiert Reserven. Lebensmittel mit hohem GI: Maltose (Malzzucker) 110, Glucose (Traubenzucker) 100, Honig 87, Vollweizenbrot 72, Rosinen 64, Bananen 62.

In Ascha mündet die »Bayerwaldrunde« in die »Große- und Kleine Arberrunde« ein. Je nachdem wie schnell man unterwegs ist, trifft man vereinzelt auf Nachzügler der 125 Kilometer-Tour. 

»Bayerwaldrunde«

Der 4 km lange Zieher ist alles andere als steil (3-4% Steigung), weh tut er trotzdem. Je länger man im Sattel sitzt, desto mehr piesacken einem irgendwelche Zipperleins. Die Straße schlängelt 145 Meter hinauf nach Falkenfels. Es ist der letzte Anstieg und trotz mäßiger Steigung wird man das Gefühl nicht los, dass es sich bis zur Kuppe am Ortsende von Falkenfels endlos wie ein Kaugummi dahin zieht. Ist die letzte Hürde gemeistert hat man sozusagen den Sack geschnürt.

Da sich in Falkenfels die »Panoramarunde« dazu gesellt ist das "Routen-Quartett" komplett. Nach Falkenfels folgt ein kurzes Gefälle, worauf sich hinter Gessmannszell der letzte nennenswerte Hügel aufbäumt. Schlappe 60 Höhenmeter mit rund 3% Steigung mag man normalerweise ohne Geschwindigkeitsverlust durchdrücken. Doch wenn man am Zahnfleisch daher kommt, schaut die Sache anders aus. Das gute an der Gschicht: es ist der letzte Zacken im Sägezahnprofil des Arber-Radmarathons. Ist die letzte Hürde genommen, dürfte die Vorfreude auf Energienachschub und Freibier in Saulburg (448 m.ü.NN.) grenzenlos sein. 

»Panoramarunde«

Saulburg ist mit Abstand die größte Verpflegungsstelle. Sie wird im Laufe des Tages von bis zu 6500 Teilnehmern bevölkert. Stundenlang herrscht hier großer Andrang. Während die ersten Fahrer der 100 km langen »Panoramarunde« gegen 11.30 Uhr eintreffen, trudeln Nachzügler der »Großen Arberrunde« erst gegen 17.00 Uhr ein. Ob das Halli Galli und ausgedehnte Pausendauer ursächlich am süffigen Freibier liegt, vermag niemand zu sagen. Es kursieren Gerüchte, nach denen manch ein ausgepowerter Genosse vorzeitig den Anker warf und sich von Ehefrau, Partnerin oder Freunden nach Hause chauffieren ließ. 

Die Berge sind bezwungen - Ende gut alles gut. Im Bild der "radelnde Reporter" mit toughem Begleiter.