»Arber-RETRO« Helmut Stadler Gedächtnisfahrt

Der Jubiläums-Arber-Radmarathon - Urgestein deutscher Breitensport-Klassiker - jährte sich zum 40. Mal. Anlässlich des Jubiläums veranstaltete der Veloclub Ratisbona e.V. am 27. Juli den »Arber-RETRO« - Helmut Stadler Gedächtnisfahrt. Zum einen sollte der »Arber-RETRO« an das Gründungsjahr (1985) erinnern, zum anderen war die Gedächtnisfahrt zu Ehren des verstorbenen Helmut Stadler gewidmet, der als Visionär wie kein anderer den Verein engagiert begleitet und unterstützt hat. 

Foto v.l.n. rechts: Uwe Moosburger (MZ), Alex Koller (2. VCR-Vorstand), Gertrud Maltz Schwarzfischer (Oberbürgermeisterin Regensburg), Barbara Wilfurth (1. VCR-Vorsitzende) und Helmut Stadler um 6.57 Uhr vor dem Startschuß der Kleinen Arberrunde des 39. Arber-Radmarathons (30.07.2023). 

1985 wurde der Arber-Radmarathon erstmals ausgetragen, als damals gerade mal 90 Teilnehmer am Start standen. Zur Rückbesinnung auf die geschichtlichen Wurzeln hoben die Verantwortlichen zum 40. Jubiläum den »Arber-RETRO« aus der Taufe, wodurch mit historischen "Vintage-Rennrädern" und stylischem Retro-Look der Teilnehmer ein bemerkenswertes Revival gelang. Das Rad der Geschichte wurde kurzum in die goldene 70er u. 80er Jahre zurück gedreht. Und das Schöne an der Gschicht: da es weder um Wattleistungen geschweige Ergebnisse geht, trudeln ausschließlich nur Sieger über die Ziellinie.

Foto v.r.: Bärbel Stadler, Ulrich Mönius, Alex Koller, Matthias Wilfurth, Barbara Wilfurth. 

Die anlässlich der 40. Auflage des Arber-Radmarathons durchgeführte Nostalgiefahrt (Initiator war der 2. VCR-Vorsitzende Alex Koller) stand im Zeichen des am 9. April verstorbenen Helmut Stadler, der als Zweirad-Unternehmer von Beginn an ein großer Förderer der Veranstaltung - aber auch ein begeisterter Teilnehmer des "Arbers" war. Seine Tochter Bärbel erzählte sichtlich berührt dem Publikum, wie sehr ihr Vater den Arber-Radmarathon als Highlight des Jahres wertschätzte. Für ihn war die Veranstaltung jedesmal ein „besonderer und emotionaler Tag“, für den Helmut Stadler ab April regelmäßig ehrgeizig zu trainieren begann. Laut seiner Aussage nahm er rund 30 Mal persönlich am Arber-Radmarathon teil und absolvierte je nach Form die 170er oder die 125er Schleife. 

Bild: begeisterte Teilnehmer der »Arber-RETRO« Helmut Stadler Gedächtnisfahrt

Kleider machen Leute, erst recht bei einem Retro-Event. Zu Vintage Rennrädern gehört die passende Retro-Kleidung, womit wir zum wichtigen Thema Dresscode kommen, denn erst durch stilgerechte (Baumwoll-) Kleidung aus den 80er/90er Jahren wird das optische Erscheinungsbild stimmig und authentisch. Alles Moderne ist hier verpönt. Stattdessen beherrschen gemuffte Stahlrahmen, außenverlegte Bautenzüge, schmale Reifen und Wolltrikots die romatische Szene. 

 Wem ein Vintage-Schatz, Old-Fashioned-Kleidung, Schuhe und sonstige Accessoires wie z.B. ein Lederring in seiner Sammlung fehlt sollte sich rechtzeitig darum kümmern, schließlich ist die Teilnahme an geltende Reglementvorschriften gebunden. Ob gekauft oder geliehen spielt dabei keine Rolle. Hauptsache man erfüllt die Bedingungen, dann steht der gschmeidigen Vintage-Rennrad-Rundfahrt beim nächsten »Arber-RETRO« im Rahmen des 41. Arber-Radmarathon nichts mehr im Weg.

Bereits Samstagnachmittag läutete ein ganz besonderes Highlight den Arber-Radmarathon offifziell ein. Die Nostalgiefahrt mit herausgeputzten Vintage-Rädern führte im geschlossenen Verband (45 Kilometer) steigungsfrei nach Kiefenholz, wo nach einer Pause an einer eingerichteten Getränkestation die Kehrtwende erfolgte und es wieder gemütlich zurück zum Dultplatz ging. Die historische Rennradausfahrt verlief im flachen Donautal nahezu deckungsgleich (ohne Walhalla-Schleife) mit der Continental-Familienstrecke (Tour E). Als Reminiszenz an die Anfangsjahre des Arber-Radmarathons erinnerten die antiquierten Räder sowie die schicke Old-Fashioned-Kleidung an längst verblichene Zeiten, was melancholische Gefühle wach rüttelte. Selbstredend setzte die Premiere der »Arber-RETRO« Helmut Stadler Gedächtnisfahrt einen krassen Kontrast zu modernen Carbon-Rennern und aerodynamischem Lycra-Outfit, was bei der Startaufstellung am Dultplatz schon für großes Aufsehen sorgte. In gewissem Maß kann man es auch als Hommage gegenüber dem klassischen Rennrad begreifen, bei dem nicht die Leistungsentfaltung sondern der Weg das Ziel ist.

63 "Vintage-Radler" sowie 30 Firmenteilnehmer vom Zweiradcenter Stadler - die allesamt einheitlich im dezenten Retro-Look gedresst waren - gondelten gemächlich in Zweierreihe nach Kiefenholz. Vom Dultplatz ging es zunächst auf der Straße via Schwabelweis-Tegernheim-Donaustauf bis Sulzbach, wo der Radlertross nach 13.5 Kilometer auf den Donau-Radweg abzweigte. Die restlichen 10 km nach Kiefenholz verliefen nahezu verkehrsfrei auf der Donau-Radler-Magistrale, bevor an der aufgebauten Getränkestation vis a vis vom "Milchheisl" in herrlicher Umgebung rund 30 Minuten gemütlich pausiert wurde. Am Ziel zeigte der Tacho einen Wohlfühlschnitt von 17 km/h an, bei einem kumulierten Höhenunterschied von 83 Meter. 

Die »Arber-RETRO« - Helmut Stadler Gedächtnisfahrt - war ein echter Volltreffer, sodass bei der anschließenden Vereinsfeier im Glöcklbierzelt der Vorstandvorsitzende Ulrich Mönius spontan eine Wiederauflage im nächsten Jahr in Aussicht stellte.

Bild: legendäre Teilnehmer - links der ehemalige Radsport-Amateur Gottfried Maier (81 Jahre alt) aus Regensburg

 Großer Express Straßenpreis von Herpersdorf (ARD-Mediathek)

Das älteste prämierte Vintage-Rad aus dem Jahr 1949 fuhr ein Schweizer, der bereits mehrmals beim Arber-Radmarathon startete. Ein Hauch von l'Eroica-Atmosphäre durchzog das tolle Retro-Event.  

Kein Geringerer als die Rallye-Legende Walter Röhrl trat in die Pedalen und wertete das historische Side-Event spürbar auf. Früher auf abgesperrten Rennstrecken im wahnwitzigen Tempo WM-Titel eingefahren, nun beim »Arber-RETRO« muskelbetrieben im Sattel eines 40 Jahre alten Gefährts im "Schneckentempo" unterwegs.

Bei einer kurzen Ansprache bekundete Walter Röhrl seine Begeisterung für die glorreiche Idee des ersten »Arber-RETRO«. Dass der sympathische "Lange" - ein aufgrund seiner Körpergröße von 1,96 Meter häufig genannter Spitzname in der Motorsportszene - nicht nur als Schirmherr wirkte, sondern die 46 km lange Tour - passend ausstaffiert im VCR-Europa-Klassiker-Trikot von 1988 - selbst abspulte, wurde von allen Beteiligten respektvoll begrüßt und mit großer Freude registriert.

Das leistungsdruckbefreite Tempo (Sportler sprechen von GA1) wurde absolut angenehm empfunden. Voraussetzung dafür, dass man sich in Zweierreihe mit seinem Nebenmann/Nebenfrau problemlos unterhalten konnte. Allein die extrem niedrige Belastungsintensität im Kreis der Gleichgesinnten bereitete ein einzigartiges Fahrerlebnis, wie man es wahrscheinlich nie oder höchst selten erlebt. Ein stimmungsgeladenes Flair, das man zwangläufig selbst erfahren muss, um es emotional nachvollziehen zu können.

Wichtige "Führungs-Guides" die einen prima Job machten, indem sie mit ihrem Porsche das Tempo des Fahrerfelds konsequent drosselten, was die Durchschnittsgeschwindikgeit von 17 km/h eindeutig belegt. Klar dass genügend Zeit bzw. Atemluft für gesellige Konversation blieb, bei der man sich mit seinem Nachbarn stimmungsvoll unterhalten konnte.  

Mittlerweile beim Arber-Radmarathon kein unbekanntes Gesicht: Gabi Röhrl genießt angesichts ihrer eindrucksvollen Fotos und (Drohnen-) Video-Clips nicht nur im Veloclub großes Ansehen. 

Der flache, überwiegend verkehrsfreie Donau-Radweg ist für ein solches Retro-Event natürlich "erste Sahne". Einzig auf entgegenkommende Radler war zu achten, ansonsten erheiterten Small Talks und Landschaftsgenuss die Gemüter. Nach 2:45 Stunden erreichte das illuste Teilnehmerfeld um 16.45 Uhr den Ausgangspunkt am Dultplatz-Zielgelände. 

Jeder genoss das erholsame Päuschen auf grüner Wiese, wobei der Wettergott am Samstag noch mitspielte, was sich jedoch bald ändern sollte. Leider war den Arber-Radmarathon-Teilnehmern zumindest in den Morgenstunden kein trockenes Wetter beschieden. 

Besonderer Hingucker: Trinkflaschen des ältesten Vintage-Unikates aus dem Jahr 1949. Die meisten Vintage-Räder stammten aus den Achtziger- und Neunzigerjahre, die einschließlich der nostalgischen Klassiker-Outfits neugierige Blicke der Zuschauer auf sich zogen.

Um dem Ereignis einen würdigen Rahmen zu verschaffen wurde der älteste Teilnehmer, das älteste Velo und das originellste Vintage-Outfit im Anschluss der Ausfahrt im Glöcklzelt prämiert. 

Nach Rückankunft der Retro-Radler wurde für Vereinsmitglieder als Dankeschön für Helferdienste beim Arber Radmarathon eine kleine Jubiläumsfeier im Glöcklzelt ausgerichtet. Kredenzt wurden Bratwürste, Hendl, Kartoffelsalat, Kraut und Kipferl bzw. Brezen und Käse sowie Eichhofener Bier und Wein. In zünftiger bayerischer Tracht - musikalisch von "DeFuchsn" mit zünftiger Blasmusik begleitet - wurde ordentlich gefeiert. 

Auch Barbara Wilfurth die bis vergangenen Herbst jahrzehntelang als Präsidentin die Geschicke des VCR leitete und den Verein zu dem machte was er heute ist nahm mit viel Begeisterung am »Arber-RETRO« teil. Dass ausgerechnet ihr sündhaft teures 14.000 D-Mark Vintage-Rad trotz vorhergehender Wartung eine technische Panne ereilte zeigt, dass auch Highend-Räder einen Defekt ereilen können. Bei der vereinsinternen Feier im Glöckl-Bierzelt wurde Barbara Wilfurth zur VCR-Ehrenpräsidentin gekürt, dessen Titel erstmals in der 41 jährigen Vereinsgeschichte verliehen wurde. Außerdem bewog der unerwartete Erfolg des Retro-Events den VCR-Vorstand zum Spontanentschluss, eine weitere Nostalgiefahrt - ggf. mit optimierten Anpassungen - beim 41. Arber-Radmarathon folgen zu lassen.

Interessant, wieviel Teilnehmer der ARM in seiner langjährigen Geschichte schon begeistert hat. Unglaublich, dass seit 1985 -turnusgemäß am letzten Juli-Wochenende - hochgerechnet fast so viele Sportler beim Arber-Radmarathon teilgenommen haben, wie die Welterbestadt Regensburg Einwohner hat. Das Jahr 2024 mit eingerechnet nahmen insgesamt 155.540 Menschen an dem Kult-Event teil. 

Foto: Helmut Stadler nahm rund 30 Mal am Arber-Radmarathon teil

Zu dieser denkwürdigen Veranstaltung werden Teilnehmende gebeten, mit klassischen Rennrädern (gemuffte Stahlrahmen), Ausstattungen und Outfits aus der Gründerzeit des Arbers (80er Jahre) zu kommen. Klick-Pedale (außer sie stammen aus der nostalgischen Zeit), Carbon und innenverlegte Schaltzüge etc. sind dagegen verpönt.

Foto: 2. Arber-Radmarathon, Start im Gewerbepark Regensburg (300 Teilnehmer), was bereits mehr als eine Verdreifachung gegenüber der Premiere im Jahr 1985 war, als 90 Sportler teilnahmen.

Praktisches Give Away: Teilnehmer des »Arber-RETRO« erhielten eine limitierte Retro Radkappe im klassisch gestylten Look.

Fazit: wer das außergewöhnliche Erlebnis auf einem Rennrad-Klassiker erleben und "l'Eroica-Atmosphäre" schnuppern möchte, sollte sich den 26.07.2025. notieren, wenn im Rahmenprogramm des 41. Arber-Radmarathon der zweite »Arber-RETRO« geplant ist.

Abschließend ein humorvolles Video von Fernsehmoderator und Schauspieler Schmid Max (Bayerischer Rundfunk) über die l'Eroica - elhoirca die Helddenhafte. Jedes Jahr im Oktober entpuppt sich der kleine Ort Gaiole in Chianti in der Provinz Siena (Toskana) zum Woodstock für Vintage-Enthusiasten.