Entscheidungsverlauf der StVO-Novelle 

Bundesminister Andreas Scheuer legte die Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) samt anderer Regelungen im Herbst 2019 vor.

Der Bundesrat stimmte der Novelle am 14.02.2020 mit Maßgaben zu.

Das Kabinett nahm die Novelle am 23.03.2020 in der Fassung mit den Änderungen des Bundesrates zu Kenntnis.

Die Novelle wurde am 27. April 2020, im Bundesgesetzblatt (Nr. 19) veröffentlicht und tritt  am 28. April 2020 in Kraft.

Bundesrat stimmt StVO-Novelle zu - mit Änderungen

Der Bundesrat hat am 14. Februar 2020 der Straßenverkehrsnovelle zugestimmt - allerdings nur unter der Bedingung zahlreicher Änderungen. Setzt die Bundesregierung diese um, kann sie die Verordnung verkünden und in Kraft treten lassen. Ziel der Verordnung ist es, sichere, klimafreundliche und moderne Mobilität zu fördern.

Rückblick

Mehr Sicherheit für den Radverkehr

Insbesondere das Radfahren soll sicherer werden. So gilt künftig ein Mindestabstand beim Überholen durch Kraftfahrzeuge von 1,5 Meter innerorts und 2 Meter außerorts. Kraftfahrzeuge ab 3,5 Tonnen müssen beim Rechtsabbiegen grundsätzlich auf Schrittgeschwindigkeit reduzieren. Auf Schutzstreifen für den Radverkehr gilt ein generelles Halteverbot. Künftig sind eigene Fahrradzonen und Grünpfeile ausschließlich für Radfahrerinnen und Radfahrer möglich.

Höhere Bußgelder für Falschparker

Flankierend passt die Verordnung den Bußgeldkatalog an. Teurer werden insbesondere die Geldbußen für unzulässiges Halten in zweiter Reihe und auf Schutzstreifen für den Radverkehr; ebenso das Parken auf Geh- und Radwegen. Künftig könnten bis zu 100 Euro Strafe anfallen.

Vorteile für Carsharing

Neben dem Radverkehr will die Verordnung auch die Nutzung von Fahrgemeinschaften für eine klimafreundlichere Mobilität vorantreiben. Sie sieht daher auch Parkvorrechte für Carsharing-Fahrzeugen vor.

Praxisvollzug erleichtern

Auf Wunsch des Bundesrates soll die Verordnung an vielen Stellen nachgebessert werden. Die circa 40 Änderungen dienen unter anderem dazu, den Praxisvollzug zu verbessern, den Schilderwald zu verringern und Bußgeldtatbestände besser aufeinander abzustimmen.

Busspuren nicht für Pkw öffnen

Nicht einverstanden ist der Bundesrat mit der von der Bundesregierung geplanten Öffnung der Busspuren für Pkw mit mehr als drei Personen, ebenso dem generellen Verbot, Fahrräder am Straßenrand zu parken. Beide Regelungen möchte er aus der Regierungsverordnung streichen lassen.

Weitere Änderungen betreffen die Geschwindigkeit beim Rechtsabbiegen, die Mitnahme von Personen auf Rädern und Rikschas und das Nebeneinanderfahren von E-Scootern.

Bußgelder erhöhen

Zahlreiche Anpassungen fordert der Bundesrat bei den Bußgeldregeln, um das System gerechter zu gestalten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. So verlangt er, das Bußgeld für Fahren mit E-Scootern auf Gehwegen deutlich zu erhöhen: auf bis zu 100 Euro. Auch Parken ohne Parkschein, Zweite-Reihe-Parken, Parken an unübersichtlichen Kurven und auf Carsharing-Plätzen, vor Feuerwehrzufahrten sowie das Behindern von Rettungsfahrzeugen soll künftig höher sanktioniert werden.

Keine Mehrheit für Tempolimit

Das ursprünglich vom Umweltausschuss geforderte generelle Tempolimit auf Autobahnen konnte sich im Bundesratsplenum ebenso wenig durchsetzen wie die Erhöhung des Gebührenrahmens für Anwohnerparkausweise und die Erlaubnispflicht für „Freefloating-Anbieter“ von E-Scootern und Leihfahrrädern, die auf Gehwegen abgestellt werden.

Notbremsassistenten

In einer begleitenden Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung, das Ausschalten von Notbremsassistenzsystemen in Fahrzeugen mit mehr als 3,5 Tonnen bei einer Geschwindigkeit ab 30 km/h zu verbieten, Verstöße dagegen als Ordnungswidrigkeit einzustufen und ein angemessenes Bußgeld zu erheben. Damit sollen Unfälle beim Auffahren auf das Stauende verhindert werden.

Außerdem appelliert der Bundesrat an die Bundesregierung, das Sanktionsniveau insgesamt zu erhöhen, um eine general- und spezialpräventive Wirkung zu erzielen und das Sanktionsgefüge zu wahren. Dass die vorgelegte Verordnung nur selektiv in den Bußgeldkatalog eingreift, kritisieren die Länder in ihrer Entschließung.

Wie es weitergeht

Das Bundesverkehrsministerium hat bereits angekündigt, dass es die vom Bundesrat beschlossenen Änderungen schnellstmöglich umsetzen und den konsolidierten Text im Bundesgesetzblatt verkünden wird. Die Verordnung soll im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

Die begleitende Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, ob und wann sie die Anregungen aufgreifen will.

Stand: 14.02.2020 / Quelle: Bundesrat

Die Koalitions­vorschläge für sichereren Rad­verkehr wurden ange­nommen

Der Bundestag hat am Freitag, 17. Januar 2020, einen Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr“ gegen die Stimmen von AfD und die Grünen bei Enthaltung der AfD und der Linken angenommen. Weitere Infos: Bundestag

Berlin: Die Bundesregierung plant wegweisende "radfahrerfreundliche" Änderungen in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann (CDU) kündigte am 15. Mai 2019 im Verkehrsausschuss eine StVO-Novelle an. Ziel der Neuregelung ist, den Radverkehr sicherer und somit attraktiver zu machen sagte Ferlemann. Im Rahmen der Novellierung wurden auch Problemstellungen aus dem ADFC-Fahrradklimatest mit einbezogen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte diesbezüglich eine Initiative zur Strafverschärfung bei Falschparken auf Fahrradspuren an. Zudem kam die Breite von Radwegen und Schutzstreifen sowie über die grundsätzliche Verteilung des Straßenraums zur Sprache. Ebenso ist eine "Umkehr der Beweislast" laut Ferlemann beim Bau von Ortsumgehungen geplant. Während früher Straßen zunächst ohne Bedarfsprüfung nach Radwegen gebaut wurden, soll künftig beim Straßenbau ein Radweg obligatorisch sein, es sei denn dass begründete Ausnahmefälle entgegen sprechen.

6. Nationale Radverkehrskongress in Dresden

Der Limousinen-Tross blieb diesmal in Berlin auf Parkposition, denn Andreas Scheuer, seine Personenschützer und enge Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums reisten umweltfreundlich mit der Bahn nach Dresden. Die letzten Kilometer vom Hauptbahnhof zum Tagungsort wurden öffentlichkeitswirksam auf Mieträdern zurück gelegt. Dabei sah sich der Minister unvermittelt einer gar nicht so ungewöhnlichen Gefahr ausgesetzt, da der Radweg abrupt auf dem Bürgersteig ohne sanften Straßenübergang endete. "Das war schmerzhaft", sagte Minister Andreas Scheuer. Andererseits dürfte die Erkenntnis dieses "Wachrüttel-Effekts" auch was Positives bewirken, führte es doch dem obersten Hausherrn des Bundesverkehrsministeriums glaskar vor Augen, wie schlimm es mit der Rad-Infrastruktur mancherorts tatsächlich bestellt ist.

Auf dem 6. Nationalen Radverkehrskongress in Dresden (13./14. Mai 2019) machte Scheuer konkrete Vorschläge, auf welche Art und Weise der Radverkehr in Deutschland attraktiver gestaltet werden könnte. Das Maßnahmenbündel sieht z.B. lückenlose Radwege in den Städten, höhere Strafen für Autofahrer, die ihre Fahrzeuge auf dem Radstreifen parken bzw. die Vision Zero“ (Null Verkehrstote als Fernziel) vor. Inwieweit der unerwartete Schwenk als Fürsprecher einer fahrradfreundlichen Infrastruktur Früchte tragen wird bleibt abzuwarten, denn bislang fiel Verkehrsminister Scheuer eher durch polarisierende Äußerungen zum Autoverkehr als mit umweltfreundlichen Mobilitätskonzepten auf. 

"Autominister", "Deutschlands Autolobbyist Nummer eins", "Kumpel der Autobauer", "Klimapolitischer Geisterfahrer" - Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wurde schon mit vielen Spitznamen bedacht, doch auf den Pseudo-Titel "Fahrradminister" wäre wohl niemand außer er selbst gekommen. Ob er dem Etikett als selbsternannter "Fahrradminister" gerecht wird muss sich zeigen, denn die Sympathiebekundung zum Radverkehr kam doch sehr überraschend. Schlußendlich bemisst sich das Wirken von Politikern weniger an ihrer Rhetorik als vielmehr an ihren Taten. Dazu Andreas Scheuer: "Ich bin Verkehrsminister und damit auch der Fahrradminister. Mit klaren Regelungen stärken wir den Radverkehr und sorgen dafür, dass das Radfahren zügig spürbar attraktiver und sicherer wird. Das erreichen wir, indem wir unter anderem ein generelles Halteverbot auf Schutzstreifen, einen Mindestüberholabstand für Kraftfahrzeuge, die Möglichkeit zur Einrichtung von Fahrradzonen und zur Anordnung von Überholverboten von Radfahrerenden sowie die Schrittgeschwindigkeit für rechtsabbiegende Lkw einführen. Wir werden nun damit auf die Länder zugehen, damit diese für den Radverkehr wichtigen Maßnahmen schnellstmöglich in Kraft treten können. Es ist die größte Radreform seit 20 Jahren. Das Rad ist gleichberechtigter Teil des Straßenverkehrs. Das muss sich auch in der StVO widerspiegeln."

Man mag sich noch an eine deutsche Verkehrspolitik rückbesinnen, als der seinerzeitige deutsche Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im Jahre 2012 von einer „zunehmenden Verrohung“ - einhergehend mit einer Missachtung von Verkehrsregeln und mangelndem Unrechtsbewusstsein - Stimmung gegen Radfahrer machte und das gesellschaftlich spaltende Schlagwort "Kampfradler" prägte. Dabei steht laut Daten des Statistischen Bundesamtes eindeutig fest: an zwei Dritteln der Unfälle von Fahrradfahrern sind Autofahrer beteiligt, wovon nur bei einem Viertel dieser Unfälle der Radfahrer die Hauptschuld trägt. Dass Fahrradfahrer gefährlich auf deutschen Straßen leben belegen aktuelle statistische Unfallzahlen. Demnach kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamts von Januar bis September 2019 358 Radfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben.

Presse, Rundfunk und Fernsehen wie beispielsweise die Frankfurter Allgemeine, die Zeit, die Tagesschau, der Deutschlandfunk, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Rundschau berichteten zum Radverkehrskongress in Dresden einhellig über eine kleine Sensation: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will den Radverkehr fördern. Beim Nationalen Radverkehrskongress äußerte sich der Verkehrsminister verständnisvoll für die Belange der Radfahrer und versprach, sich für Verbesserungen der Radinfrastruktur bzw. für eine StVO-Reform zur Erhöhung der Sicherheit von Fahrradfahrern engagiert einzusetzen. Zahlreiche Vorschläge welche den Radverkehr in Deutschland attraktiver und sicherer gestalten sollen, dürften Millionen von Radfahrern in Deutschland Hoffnung machen. Keine Frage: die formulierten Ziele der umfassenden StVO-Novelle sind wahrlich ambitioniert, zumal ehrgeizige Umweltschutzziele und Beschäftigungs- und Wachstumschancen schwerlich unter einen Hut zu bringen sind (Ökologie contra Ökonomie). Umso spannender bleibt abzuwarten sein, inwieweit nach der erfolgten Länder- und Verbändeanhörung die vom Bundeskabinett zur Kenntnis genommene und dem Bundesrat zugeleitete Änderungsverordnung (06.11.2019) von den Bundesländern ihre Zustimmung findet.

Globaler Klimawandel erhöht Handlungsdruck auf die Bundesregierung

Da die StVO-Novelle kausal mit dem Klimawandel und der dadurch eingeleiteten Verkehrswende sehr eng zusammenhängt, genießt die klimaneutrale Mobilitätsform "Radfahren" einen ungleich wichtigeren Stellenwert als dies vor gar nicht allzu langer Zeit der Fall war. Seit vielen Monaten ist der globale Klimawandel das Topthema Nr. 1. Omnipräsente Medienresonanz, heftig geführte Klimadebatten und die viel diskutierte Verkehrswende macht den Bewusstseinswandel der Bevölkerung deutlich, was den Handlungsdruck auf die Regierung immens erhöht. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint Scheuers überraschender Sinneswandel hin zur klimafreundlichen Mobilität nachvollziehbar. Noch dazu, wo der viel gescholtene Verkehrssektor (Verbrennungsmotor) - der häufig als Sündenbock für Treibhausgase an den Pranger gestellt wird - und dadurch einen irreversiblen Imageschaden erlitten hat. Ob der Ersatz des fossilen Antriebsstrangs bisheriger PKWs durch Batterie und Elektroantrieb tatsächlich eine schadstoffreduzierte und nachhaltige Entwicklung verspricht bzw. der Umgang mit natürlichen Ressourcen auf Kosten Dritter Länder moralisch sich jemals rechtfertigen lassen steht natürlich auf einem anderen Blatt. Dass die politisch viel gepriesene Elektromobilität mit ihren Schattenseiten offenbar alles andere als der Stein des Weisen ist sei nur am Rande erwähnt. 

Als die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg im Sommer 2019 zum ersten Mal mit ihrem "Schulstreik für das Klima" vor dem schwedischen Parlament protestierte war nicht im geringsten absehbar, welch gigantische Sympathie-Welle ihr Protest auslösen sollte in deren Folge sich weltweit die Initiative Fridays for Future (FFF) formiert hat. Seitdem steht die Klimaaktivistin Thunberg bzw. die deutsche Protagonistin Luisa Neubauer im Rampenlicht der Öffentlichkeit, wobei der Medienhype um Greta Thunberg mitunter schon recht fragwürdige Züge annimmt.

Maßnahmenbündel der StVO-Novelle

Anlässlich des Radverkehrskongresses in Dresden sagte CSU-Politiker Scheuer: „Wir müssen Radfahrer noch besser schützen“. Dazu gehöre zum Beispiel eine deutliche Erhöhung der Bußgelder fürs Parken in zweiter Reihe und auf Schutzstreifen für Radler sowie eine in Aussicht gestellte  "grüne Welle" in den Städten. Erleichtert werden sollten außerdem die Voraussetzungen für den Bau von Radwegen. Fahrräder könnten auch stärker für Lastentransporte in Städte genutzt werden.

Für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer steht neben der Sicherheit des Radverkehrs auch eine bessere Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln im Vordergrund. Der CSU-Politiker sagte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, er sei der festen Auffassung, dass Klimaziele nur erreicht werden könnten, „wenn wir einen starken Radverkehr haben und Deutschland ein Fahrradland wird“.

Diesbezüglich hatte die Bahn verlautbart, dass Bahnkunden es künftig leichter haben sollen, ihr Rad mit zu nehmen. Es gehe um ein "verkehrsmittelübergreifendes Denken", sagte der Minister, d.h. dass Bahnhöfe neben Park+Ride-Plätzen auch Park+Bike-Plätze verfügen müssten. Insbesondere die fehlende harmonische Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel ist mit verantwortlich dafür, wie unattraktiv gegenwärtig der Umstieg vom Auto auf das Fahrrad ist.

Der Staatshaushalt stellt für den Radverkehr finanzielle Mittel von 1,45 Milliarden bis 2023 zur Verfügung - so viel wie nie zuvor. Zwar sei der Bund nicht zuständig für den Bau von Radwegen in Städten und Gemeinden, sagte Scheuer: „Aber ich bin guten Mutes, mit meinem neuen Bündnis für moderne Mobilität, dass die Kommunen und die Bundesländer uns Projekte melden, wo wir auch kräftig fördern können und das Radwegenetz in Deutschland sich verbessert und sicherer wird.“

Es gehe auch um einen besseren Schutz von Radfahrern, betonte der Minister und verwies auf die Änderungen der Straßenverkehrsordnung. Demnach soll es mehr Platz und mehr Rechte für Radler geben, außerdem strengere Regeln für Autos. So sollen Bußgelder fürs Parken in der „zweiten Reihe“, auf Geh- und Radwegen steigen. Außerdem soll es neben Fahrradstraßen künftig Zonen geben in denen generell höchstens Tempo 30 erlaubt ist, damit der Radverkehr weder gefährdet noch behindert wird. Für Rechtsabbieger soll der Grünpfeil eingeführt werden, welcher ausschließlich für Radfahrer gilt. Dieses Verkehrszeichen wird schon lange von verschiedenen Verbänden gefordert.

Es handelt sich alles in allem um radkonforme Ziele, doch ob die dem Bundesrat zugeleitete Änderungsverordnung in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gänzlich ihren Niederschlag findet hängt von der Entscheidung der Bundesländer ab. 

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sprach von einer „Riesenchance“ für die verstopften Städte. „Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es spürbaren politischen Rückenwind für das Fahrrad – und zwar aus dem konservativen Lager“, sagte Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork. Aus dem Klimapaket gebe es ab 2020 vier Jahre lang Bundesmittel in Rekordhöhe für „Premiumradwege“ überall im Land. Es gebe eine große gesellschaftliche Offenheit für attraktive Alternativen zum Auto.

„Ab 2020 muss wirklich Schluss sein mit Alibi-Infrastruktur und Angst-Radfahren auf der Straße“, sagte Stork. „Die Rahmenbedingungen sind jetzt da, lebenswertere Städte zu schaffen und alle Menschen durch Qualitätsradwege, großzügige Fahrradparkhäuser und sichere Kreuzungen zum Radfahren einzuladen.“ Nun seien die Kommunen gefordert. „Sie müssen jetzt Netzpläne für Premium-Radverkehr machen, damit sie die Bundesmittel auch beantragen und verbauen können, sobald die Verwaltungsvereinbarung steht. Es wäre eine Schande, diese Chance auf ein Fahrradland Deutschland verstreichen zu lassen.“

Max Raabe als "Fahrradfreundlichste Persönlichkeit 2019" ausgezeichnet

Sänger Max Raabe ist die "Fahrradfreundlichste Persönlichkeit 2019". Der 55-Jährige nahm die Auszeichnung im Rahmen des Deutschen Fahrradpreises vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beim Radverkehrskongress entgegen.

„Manchmal ist das Leben ganz schön leicht. Zwei Räder und ein Lenker, das reicht. Wenn ich mit meinem Fahrrad fahr, dann ist die Welt ganz einfach. Die Autos stehn im Stau, ich fahr vorbei (…) Wenn ich mit meinem Fahrrad fahr, mitten durch die Stadt“. So wunderbar leicht beschwingt besingt Max Raabe - begleitet vom Berliner Palast Orchester - in seinem Song „Fahrrad fahr’n“ (erschienen auf dem 2017er Album „Der perfekte Moment wird heut verpennt“) die zeitlosen Freuden des Fahrradfahrens.

Dass Scheuer Max Raabe als fahrradfreundlichste Persönlichkeit auszeichnete, ist vielen bekannt. Nicht bekannt war hingegen quasi ein Schulterschluss mit Radfahrern, denen er in den Städten mehr Platz und bzw. mehr Schutz zubilligen will. Mehr noch: Autofahrer müssten dafür auch Einschränkungen in Kauf nehmen.

Radverkehrskongress: Scheuers „Vision Zero“

Andreas Scheuers Vorschläge, die in den neuen Radverkehrsplan 2021 einfließen sollen, sind ambitioniert. Beim Radverkehrskongress kündigte er lückenlose Radwege in den Städten, deutlich höhere Strafen für Autofahrer, die ihre Fahrzeuge auf dem Radstreifen parken und — als größtes Projekt sozusagen — Scheuers „Vision Zero“ an. Null Verkehrstote als Fernziel. Wir brauchen eine bessere, möglichst lückenlose Radinfrastruktur. Wir müssen Radfahrer noch besser schützen und wir wollen noch mehr Innovation und Fortschritt“, sagte Scheuer.

Straßensanierungen: Radweg soll verpflichtend werden

„Ich werde eine Reihe bestehender Regelungen und Förderbedingungen prüfen und anpassen“, kündigte der Minister auf dem Radverkehrskongress an. Bei Straßensanierungen etwa solle in Zukunft ein Radweg verpflichtend sein. Nur auf Antrag und bei ausreichender Begründung solle darauf verzichtet werden. Neue Radwege müssten zudem breiter werden — unter anderem, um auch die bald legalen E-Tretroller aufnehmen zu können. Es dürfe nicht mehr vorkommen, dass Radwege plötzlich endeten. Eine entsprechende Planung der Städte und Gemeinden sei unabdingbar. Ebenfalls denkbar, so Scheuer: Eine Grüne Welle für Radfahrer, womöglich sensorgesteuert.

StVO-REFORM: RADFAHREN SOLL SICHERER WERDEN

Bereits im Sommer hatte das Bundesverkehrsministerium eine StVO-Reform angekündigt und wurde als die „größte Radreform seit 20 Jahren“ bezeichnet. Nachdem das Kabinett die Änderungen beschlossen hat bedarf es nun der Zustimmung der Bundesländer im Bundesrat, um danach unverzüglich in Kraft zu treten.  

Auch ein generelles Halteverbot auf Fahrradwegen soll her – dies könnte gefährliche Situationen wegen Falschparkern drastisch reduzieren. So ist beispielsweise auf Schutzstreifen bisher das Parken verboten, aber der kurze Halt bis zu drei Minuten erlaubt. Auch das Bußgeld fürs Parken auf Radwegen soll erhöht werden.

Höhere Bußgelder, neue Regeln in Bezug aufs Fahrradfahren - das sieht die Reform der Straßenverkehrsordnung vor. Ebenfalls für mehr Sicherheit könnte die Regelung sorgen, dass Lkw beim Rechtsabbiegen nur im Schritttempo fahren dürfen, also 7-11 km/h. Rechtsabbiegende Lkw sind bislang die größte Ursache für tödliche endende Verkehrsunfälle. Das Pkw-Parken vor Kreuzungen und Einmündungen soll im Bereich bis zu acht Metern verboten werden, wenn es einen Radweg gibt. So können sich die verschiedenen Verkehrsteilnehmer schon viel früher besser wahrnehmen.

1,50 Meter Mindestabstand beim Überholen

Bisher war nicht klar geregelt, wieviel Abstand ein Autofahrer beim Überholen von Radfahrern einhalten muss. Die Straßenverkehrsordnung sprach etwas ungenau davon, dass ein ausreichender Seitenabstand eingehalten werden muss. Die StVO-Reform schreibt nun einen Mindestabstand von 1,50 Metern innerorts und sogar zwei Meter außerhalb von Ortschaften vor – dies ist der Abstand, der bisher bereits empfohlen wird. Auch im Gespräch sind Radfahrer-Überholverbote, die überall dort ausgewiesen könnten, wo der Platz zum sicheren Überholen nicht ausreicht.

Nebeneinander radeln wird durch StVO-Reform erlaubt

Ein Verkehrszeichen für Radschnellwege könnte erstmals in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden, außerdem soll ein spezielles Piktogramm für Lastenfahrräder eingeführt werden. Auch schön: In Zukunft könnten Radfahrer auf Radwegen ausdrücklich nebeneinander her fahren dürfen, solange es die anderen Verkehrsteilnehmer nicht behindert. Dies ist bisher nur in Ausnahmefällen erlaubt.

Radwege sollen besser vor parkenden Autos geschützt werden, die eine Gefahr im Straßenverkehr darstellen können. Deshalb werden die Bußgelder fürs Falschparken drastisch erhöht, erstmals gibt es dafür zusätzlich Punkte in Flensburg. Wenn durch unzulässiges Halten in zweiter Reihe ein Radfahrer gefährdet ist, sind 80 Euro (vorher 20 Euro) sowie 1 Punkt fällig. Wird ein Radfahrer durch Parken auf dem Radweg behindert, kostet das den Pkw-Halter 70 Euro (vorher 30 Euro) und einen Punkt in Flensburg. Und wenn das Halten eines Fahrzeugs auf dem Fahrrad-Schutzstreifen zu einem Unfall des Radfahrers führt, dann beträgt das Bußgel 100 Euro (vorher 35 Euro) und ebenfalls einen Flensburger Punkt.

Parken in zweiter Reihe wird teuer: Wer in zweiter Reihe, auf Geh- und Radwegen oder auf Schutzstreifen parkt, muss in Zukunft bis zu 100 Euro Bußgeld rechnen. Bisher waren es 15 Euro.

320 Euro bei Missachtung von Rettungsgassen: Keine Rettungsgasse gebildet? Dann drohen in Zukunft Bußgelder zwischen 200 und 320 Euro sowie ein Monat Fahrverbot und der Eintrag von zwei Punkten im sogenannten Fahreignungsregister in Flensburg.

Notbremsassistenzsystem muss ab 30 km/h an sein: Verboten wird das Abschalten von Notbremsassistenzsystemen durch den Fahrer ab einer Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h. Wer gegen die neue Vorschrift verstößt, muss bis zu 100 Euro zahlen und bekommt einen Punkt im Fahreignungsregister.

Neue Privilegien für Fahrradfahrer

Nebeneinanderfahren gern gesehen: Wer auf dem Fahrrad nebeneinander fährt, dem ist das zukünftig ausdrücklich erlaubt. Die bisherige Formulierung in der StVO stellt das Hintereinanderfahren in den Vordergrund. Das soll in Zukunft anders formuliert werden.

Freie Fahrt auf mehr Einbahnstraßen: Straßenverkehrsbehörden sollen verstärkt prüfen, ob sie Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrende öffnen. Dafür soll die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO geändert werden.

Bundesminister Scheuer: "Wer die Mobilität der Zukunft will, muss die notwendigen Anpassungen vornehmen. Es gibt Einiges zu tun, um unsere Straßen noch sicherer, klimafreundlicher und gerechter zu machen! Wir machen Radfahren sicherer. Wir stellen Fahrgemeinschaften besser für eine klimafreundlichere Mobilität. Wir finden es gerecht, dass jeder, der die Rettungsgasse blockiert, hart bestraft wird - denn hier geht es um Leib und Leben. Ich hoffe, dass die StVO-Novelle auch im Bundesrat die notwendige Unterstützung findet."