DER BAYERISCHE WALD - DAS HÖCHSTE DER GEFÜHLE

Bayern - mit mehr als 70.500 Quadratkilometern das flächengrößte der 16 Länder in Deutschland - rollt Mountainbikern sprichwörtlich den roten Teppich aus. Zuckersüße Trailrosinen, die mehr oder weniger vor der Haustüre zur genüsslichen "Verkostung" bereit liegen machen Reisen in fernere Gefilde schon fast überflüssig. Neben dem viel besuchten Alpenvorland gibt es auch "verschlafene" Reviere, die vorwiegend von Einheimischen und nur vereinzelt von Ausflüglern und passionierten Biketouristen aufgesucht werden. Bayern verfügt eine ganze Reihe von Spots, deren nicht allzu anspruchsvoller Mittelgebirgscharakter schwerpunktmäßig die breite Masse der Hobbybiker anspricht. Was die Sache spannend macht: sowohl die jeweilige Landschaftkulisse als auch die Mentalität und der hiesige Dialekt der Menschen - einschließlich regionaltypischer Speisen - unterscheiden sich von Gebiet zu Gebiet teils gravierend. 

Freilich steigert sich der Spaßfaktor und prickelnder Fahrgenuss am ehesten im fordernden Gelände. Allerdings sind Naturwaldreservate zunehmend einem steigendenden Naturnutzerdruck ausgesetzt, was zu Coronazeiten - vornehmlich im Alpenvorland - in der besorgniserregenden Entwicklung "Overtourism" gipfelte. Nichtsdestotrotz gibt es immer noch viele Kleinode, wo man tatsächlich stundenlang keiner Menschenseele begegnet. Richten wir unser Augenmerk auf den Bayerischen Wald, wo man gediegen über Stock und Stein pesen kann, ohne ständig anderen Naturnutzern in die Quere zu kommen. Was (glücklicherweise) weniger bekannt ist: im Bayerischen Wald schlummern einsame "Spielwiesen-Reservate", von denen Offroader so gerne träumen. Die meisten Naturtrails im Bayerischen Wald weisen (Singletrail-) Schwierigkeitsgrade im Bereich von S0 bis S2 auf. Wenngleich es im Alpenraum vergleichsweise anspruchsvollere Strecken gibt so dürfte der Anteil derer, die ausgesetztes Steilgelände im SG-Level S3 und höher sicher beherrschen verschwindend gering sein. Im Bayerwald gibt es tatsächlich eine Vielzahl epischer Trails und verschlungener Pfade, die das Groß der Biker anspricht. Gerade verborgene Trailrosinen, welche aus dem Dornröschenschlaf wach geküsst werden wollen, stehen in der Gunst ziemlich oben in der Wunschliste. Ganz nach dem Motto: „Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen“ erwarten einem zwar keine zipfelmützigen Zwergenfreunde, böse Hexen oder Stiefmütter - auch nicht das bezaubernde Schneewittchen - doch dafür gibt's versteckte "Bodenschätze" die derart viel Spaß bereiten, dass der geflashte Touch Down unter Bike-Kollegen nicht selten mit freudigen "High Fives"endet. 

Bild: Dreitannenriegel (1.090 m) - nahe Landshuter Haus (LK DEG)

Zugegebenermaßen ist Mountainbiken neben einer Lebenseinstellung auch ein stückweit Livestyle das dann zur Fahrkunst mutiert, wenn man getrieben von Leidenschaft, Hingabe und Motivation eine Symbiose mit dem Gelände eingeht und selbstvergessen durch's Dickicht zirkelt. Dabei kommt es weniger auf die Geschwindigkeit und radikale Manöver an, als vielmehr auf agile Körperbeherrschung und richtige Körperspannung, welche einen harmomischen Bewegungsablauf und damit letzten Endes die Kontrolle über das Bike im unwegsamen Terrain ermöglichen. Fühlt man sich den Anforderungen gewachsen, kann man seinem Bike beruhigt die Sporen geben.

Das Credo ist, Emotionen freien Lauf zu lassen und dem bleiernen Alltagsballast den Laufpass zu geben, um nach einer glückseeligmachenden Fahrt seine Freude so richtig befreit enthusiastisch in den Himmel zu schreien. Ein Ausnahmezustand, der das gegenwärtige Gefühlsleben ungefiltert nach außen kehrt. Deshalb schwitzt man sich liebend gern die Klamotten naß, pusht seinen Puls ans Limit und malträtiert seine Beinmuskulatur bis zum geht nicht mehr. Kaum verwunderlich, wenn Außenstehende am Wegesrand ein solches Unterfangen mit Kopfschütteln goutieren.

Bild: Blick zum Großen Arber

Der Bayerische Wald, dessen größter Teil im Regierungsbezirk Niederbayern bzw. der nordwestliche Teil in der Oberpfalz liegt, grenzt im Osten an Tschechien (Böhmerwald) und Oberösterreich (Mühlviertel). Gemeinsam mit dem Böhmerwald (tschechisch Šumava) und dem Sauwald (Oberösterreich) bildet die Naturregion das größte zusammenhängende Waldgebiet Europas, weshalb es auch das Grüne Dach Europas genannt wird. Die Medaille hat immer zwei Seiten, denn im Vergleich zu Alpen-Spots mag der Bayerische Wald zwar ein Mauerblümchen-Dasein fristen, blieb aber dafür vom Massentourismus verschont. Ein glücklicher Umstand, der das weitläufige Mittelgebirge als Urlaubsgebiet so interessant und liebenswert macht. Die abwechslungsreiche Naturlandschaft mit ihren topographischen Eigenheiten spricht jeden Zweiradfan an, egal ob ein Rennrad, Tourenrad, Gravel- Cross- e-bike oder Mountainbike pilotiert wird. 

Es hat schon seine Gründe, wenn der Bayerische Wald verheißungsvoll als <Bayerisch Kanada> oder Outdoor-Schlaraffenland bezeichnet wird. Das Eldorado kredenzt auf rund 6.000 Quadratkilometern immerhin 130 Berggipfel mit über 1.000 m Höhe. Zu den bekanntesten zählen z.B. der 8 km lange Höhenzug Hohe Bogen (1073 m), Pröller (1049 m), Brotjacklriegel (1011 m), Großer Osser (1293 m), Großer Arber (1456 m), Großer Falkenstein(1315 m), Großer Raichel (1453 m), Lusen (1373 m) Haidel (1.167 m) und Dreisesselberg (1333 m), deren großartige Gipfelkulisse bei einer MTB-Tour immer ein Highlight bildet. Bei Fernsicht erblickt man sogar das prächtige Alpenpanorama.

Schon der weltberühmte Schriftsteller Adalbert Stifter schrieb poetisch über den Bayerischen Wald: "Waldwoge reiht sich an Waldwoge, bis eine am Horizont die letzte ist und den Himmel schneidet". Wo früher der introvertierte „Grenzgänger“ zwischen österreichischem Mühlviertel, Bayerwald und Böhmerwald tiefsinnig und schweremütig durch menschenleere Waldgebiete streifte, genießen heute Freizeitaktivisten die abgeschiedene wildromantische Naturlandschaft.

Bild: Silberberg bei Bodenmais (Arberland)

Die magische Anziehungskraft der Traumreviere kommt nicht von ungefähr, schließlich besticht die Szenerie mit sauerstoffreichen Wäldern, saftigen Wiesenhängen, kargen Felswänden, gezackten Bergrücken, romantischen Flusstälern, plätschernden Gebirgsbächen, smaragdgrünen Bergseen, sprudelnden Quellen und rauschenden Wasserfällen. Last but not least bieten zahlreiche Bayerwaldgipfel atemberaubende Panoramablicke und sorgen für unvergessliche Momente. Trailbiker dürfen sich auf ein euphorisierendes Netz gewundener Schmalspurpfade freuen. Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass Radfahrer wie Mountainbiker südlich des "Weißwurstäquators" (scherzhafte Bezeichnung für eine gedachte Kulturgrenze zwischen Bayern und dem übrigen Deutschland) wie die Made im Speck leben. Erst recht nicht, dass die große Mehrheit süchtig nach Singletrails spechtet. Ein facettenreiches Wegenetz mit hohem (Single-) Trailanteil ist für die Attraktivität und Anziehungskraft potentieller Urlaubsdomizile ausschlaggebend, da es maßgeblich die Destinationsentscheidung beeinflusst. Schlicht und ergreifend deswegen, weil diese Wegeart den größtmöglichen emotionalen "Benefit" verspricht.

Der Bayerische Wald vereint viele Facetten: Tief verwurzeltes Brauchtum hier, moderne Lebensweise dort. Einheimische sorgen auf traditionelle Art dafür, dass die bayerische Identität fortlebt – Garant für Individualität und Einzigartigkeit. Das bekommt der "zuagroaßte" Urlauber auf Schritt und Tritt zu spüren: als willkommener Gast eintauchen in die herzliche Atmosphäre, dialektische Verständnisprobleme überwinden und hautnah Land & Leute erleben. 

 Kraftraubendes Auf und Ab gehen auf Dauer auf die Substanz, was so manchem Stollenfreak schon den Stecker zog. Konditionelle Schwächen vermögen E-Bikes zwar auszugleichen, doch fahrtechnische Defizite indes nicht. Die Topographie mag bergauf durch die Anschubhilfe "eingeebnet" werden, doch Abfahrten können sich bei mangelnder Fahrtechnik unvermittelt als unüberwindbares Hindernis entpuppen (z.B. verblocktes Gelände, hohe Absätze, Wurzelpassagen, Steilheit). Mit anderen Worten: werden Anstiege problemlos überwunden heißt es noch lange nicht, dass man easy vom Berg wieder hinunter kommt. Insbesondere Einsteiger und E-Biker sollten im Hinblick ihrer Fähigkeiten auf eine bedachtsame Routenwahl achten.